8. Dezember 2025 | Pioneers Theatre
Retro, Reklame, großes Kino
Werbe-Hits der 80er und 90er
(Bielefeld, 8. Dezember 2025) Der liebgewonnene Jahresausklang fand in diesem Jahr im „Pioneers Theatre“ statt. Zwar stand wieder ein Kino-Event in den ehemaligen Räumlichkeiten des „Astoria“ auf dem Programm, aber dieses Mal eines mit einer gehörigen Portion Retro-Charme. „Und das hat einen ganz einfachen Grund: DIE KLAPPE, der deutsche Award für Bewegtbild, wurde 2025 nicht vergeben“, erzählt Vorstandsmitglied Eric Adelt, der den Abend gemeinsam mit Programmkoordinatorin Kristina Herrmann organisierte. Also, was tun? Eine Lösung musste her: „Eric hat Kosten, aber keine Mühen gescheut, um den Club-Mitgliedern doch noch einen unterhaltsamen Kino-Abend zu bescheren“, berichtet MC-Präsidentin Sabine Schoner mit einem Augenzwinkern.
Kurzerhand wurde bei eBay eine VHS-Kassette – die Älteren werden sich erinnern – der Cannes Rolle `95 ersteigert. Darauf sind die Gewinnerfilme des Cannes Lions International Advertising Festival zu sehen. „Dafür sind wir früher ins Kino gegangen“, sagt Eric Adelt, der sich auch um die Digitalisierung der VHS-Kassette kümmerte. Als Bonus gab es noch einige bekannte Spots aus den 1980er-Jahren. Ausgestattet mit Popcorn und Kaltgetränken begann die charmante Reise in die Vergangenheit der Werbespots. Egal ob „Hoffentlich Allianz versichert“ mit der eingängigen an Reinhard Mey erinnernden Melodie oder Meister Proper und Nesquick – Text und Musik waren sofort im Hirn und hatten Ohrwurm-Qualität. An die „Lila Pausen“ von Milka oder die Fruchtzwerge, die „so wertvoll wie ein kleines Steak“ sein sollten, konnten sich die meisten ebenso erinnern wie an die Rama-Mädchen. Außerdem war der gruselige Dr. Best zu sehen, der mit dem biegsamen Zahnbürstenkopf eine Tomate malträtierte. Für viel Gelächter sorgte auch die legendäre Haarspray-Werbung von Drei Wetter Taft (Rom: Die Sonne brennt. Perfekter Schutz u.s.w.).
Charmante Zeitreise
Deutlich internationaler ging es nun mit den Gewinner-Spots der Cannes-Rolle aus dem Jahr 1995 weiter. So wurden Mitte der 1990er u. a. Pepsi, Nike, Jeep, Budweiser, Prince, Canon und Lego mit einem Award in Gold ausgezeichnet – für sehr unterschiedliche Ansätze. Mal dynamisch mit populären Sport-Stars (Tennis, Golf, Fußball, Leichtathletik), mal sehr skurril, wie z. B. bei der Vermarktung kalifornischer Nüsse oder mit landestypischen Humor, wie bei der britischen Supermarktkette Tesco. Interessant zu sehen war, dass die meisten Marken, die seinerzeit für ihre erfolgreiche Werbung ausgezeichnet wurden, noch heute existieren. Und einige Produkte, wie Orangina, erfreuen sich dank des Retro-Trends gerade in den letzten Jahren auch bei jüngeren Generationen wachsender Beliebtheit.
Ein Spot, der 1995 ausgezeichnet wurde, ist heute leider wieder ganz aktuell: Ein Kosmonaut landet nach seiner Mission im All wieder auf der Erde und ist verwirrt. „Bin ich in Russland?“, fragt er. Eine ältere Frau antwortet ihm mit unverhohlenem Zorn: „Nein, hier ist die Ukraine!“ „Aber das ist doch Russland“, erwidert der Kosmonaut. „Nein. Die Ukraine ist die Ukraine!“, lautete die vehemente Erwiderung. Die Werbung wurde seinerzeit für „De Agostini Geographischer Atlas“ produziert – der erste Atlas, der die geopolitischen Veränderungen nach dem Zusammenbruch der UdSSR schriftlich festhielt.
Von surreal über sentimental, kitschig, kritisch, technisch, ästhetisch bis albern – die Spots erzeugten viel Heiterkeit, aber zuweilen auch Kopfschütteln: „Was haben die sich dabei nur gedacht?“ Aber damals wie heute gilt: Über Geschmack lässt sich nicht streiten.
Text: Eike Birck
Fotos: Sarah Jonek




















































