Rückblick
29. September 2025 | Jacques’ Wein-Depot Bielefeld-Babenhausen

Zwischen Reben und Reichweite

Kristina Hermann, Remigius Szlachetka

Social Media in der Welt des Weines

(Bielefeld, 29. September) Hereinprobiert! Das war das Motto des Abends in Jacques’ Weindepot in Bielefeld-Babenhausen. Programmkoordinatorin Kristina Herrmann begrüßte die Mitglieder und Gäste, die schon sehr gespannt waren, mehr über Weine und und Social-Media-Strategie von  Remigius Szlachetka zu erfahren. Von Anfang an versammelten sich alle Teilnehmenden um den großen Tisch und kamen bei einem wohltemperierten Cava umgeben von Wein und anderen Leckereien in dem gemütlich-rustikalen Interieur sofort ins Gespräch.

Es ist diese unkomplizierte und gemütliche Atmosphäre, die Jacques’ Weindepot ausmacht, und von Gastgeber Remigius Szlachetka mit ganz viel Herzblut gelebt wird. Hier können (fast) alle Weine jederzeit probiert werden, über 200 sind es. Das gehört zur Philosophie der Gründer Jacques Héon und Olaf Müller-Soppart, die 1974  in Düsseldorf ihr erstes Ladenlokal eröffneten und damit den Grundstein für die mittlerweile 330 Depots in ganz Deutschland legten. „Die Idee war es seinerzeit, französische Weine nach Deutschland zu bringen“, erzählt Remigius Szlachetka. Der Weinakademiker (WSET Diploma, London, Geisenheim) und WSET Certified Wine Educator kann bereits auf über 1.000 moderierte Seminare zurückblicken. Der Schwerpunkt lag zunächst auf der Region Languedoc, die Landweine zu einem exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnis bot. Mittlerweile hat der 45-Jährige Weine aus ganz Europa und Übersee im Angebot.

Das Depot in Babenhausen, idyllisch auf dem Land gelegen, befindet sich in einem Bauernhof aus dem Jahre 1821 und wurde 1980 eröffnet. „Damit gehört es zu den ältesten Depots und viele sagen – auch zu den schönsten. Und das finde ich auch“, lacht Remigius Szlachetka, der das Geschäft 2016 übernahm und noch ein weiteres in Osnabrück-Nahne betreibt.

Probieren geht über studieren

Aber es soll natürlich nicht nur über Wein geredet werden, sondern es geht sogleich ans Probieren. Auge, Nase, Mund – das ist der Dreiklang bei der Kunst des Verkostens. Mit einem Glas in der Hand demonstrierte er, wie die Farbe eines Weins Rückschlüsse auf Alter und Rebsorte zulässt – Weißweine, die mit den Jahren dunkler werden, von zitronengelb zu goldgelb. Oder Rotweine, die von purpurrot zu ziegelbraun reifen. „Farbe ist natürlich spannend, aber nicht so spannend wie die Tausenden von Aromen, die wir riechen können. Eigentlich ist der Vormittag die beste Zeit zum Probieren. Zwischen acht und zwölf Uhr sind Geruchs- und Geschmackssinn am frischesten – aber heute machen wir mal eine Ausnahme.“ Anschließend wird die Nase ins Glas gesteckt und man lässt zwischendurch den Wein im Glas kreisen, damit der Sauerstoff die Duftnoten zur Entfaltung bringt. Apfel, Pfirsich, frisch gemähtes Gras, ein Hauch von Stachelbeere, Anspielungen auf eine leichte Exotik. Beim Trinken ist Schlürfen nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht, weil auch hierbei die Zufuhr von Sauerstoff für einen besseren Effekt sorgt. Hier ist die Frage, wie sich der Wein am Gaumen verhält: Hat er Länge, hat er viel oder wenig Säure? Der Sauvignon Blanc aus Rheinhessen von Stefan Winter überzeugt. „In den letzten Jahren hat sich der Sauvignon Blanc auch in Deutschland zu einer wichtigen Rebsorte entwickelt“, erklärt der sympathische Wine Educator. „Wir könnten jetzt noch verschiedene andere Sauvignon Blanc aus Frankreich oder Neuseeland verkosten und alle wären unterschiedlich.“

Entscheidend ist am POS

Während die Gäste mit einem kleinen Gruß aus der Küche verwöhnt werden, berichtet Remigius Szlachetka kurz über seine Tätigkeit als Wirtschafts- und Sozialgeograf bei der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung – sein zweites Standbein. Hierbei erforscht er u. a.  Kulturlandschaften, wenn beispielsweise in Geisenheim, eine Kleinstadt in Rheinhessen, kein Wein mehr angebaut würde. Welche Auswirkungen hätte das auf den Einzelnen, auf die Branche und auf den Arbeitsmarkt? Branchenanalysen und -prognosen gehören zu seinen Schwerpunkten und ergänzen sich wunderbar mit seiner Leidenschaft für den Einzelhandel. „Was wir hier gut können, ist Geschichten erzählen. Wir bieten guten Service und eine ehrliche Beratung“, sagt Remigius Szlachetka mit Blick auf den Schwerpunkt bei Jacques‘ Weindepot in Babenhausen und Osnabrück. Hereinprobiert ist dabei mehr als ein gut klingender Slogan. Der 45-Jährige wünscht sich, dass Menschen lernen, ihrem Geschmack zu vertrauen – und dabei steht er ihnen gern mit Rat zur Seite. Immer wieder lässt er sich neue Formate für Events, die im Depot und auf dem Hof stattfinden, einfallen, Wein & Käse, Wein & Schokolade, Sommerfeste oder das beliebte Format „Aus dem Büro ins Depot“. „Das machen wir ein Mal im Monat und das kommt richtig gut an. Die Leute fühlen sich wohl,  kommen bei uns im Depot leicht runter, aber schwer wieder vom Hof“, sagt er mit einem Augenzwinkern – und hat die Lacher auf seiner Seite. Es sind die Events, die den Menschen gute Laune machen und immer neue Kunden bringen. Außerdem ist Remigius Szlachetka mit seiner mobilen Weinbar in einem auffällig lackierten Pferdeanhänger oft unterwegs.

Zwischendurch kredenzt der Weinakademiker einen zweiten Weißwein aus Frankreich – älter als der erste und daher goldgelb in der Farbgebung. Reife Weine gehen eher in Richtung Steinobst, Aromen von Mango und Vanille. Der renommierte Jean Claude Mas hat vier mediterrane weiße Rebsorten separat vinifiziert und zu einem wunderbar komplexen Geschmackserlebnis vereint. Passt perfekt zu hellem Fleisch oder einem schlotzigen Steinpilz-Risotto. „Auch alkoholfreie Varianten gehen gerade durch die Decke. Bei Weißwein und Rosé gibt es einige gute Alternativen, bei Rotwein wird es schwieriger, da sind wir schnell bei Traubensaft“, stellt  Remigius Szlachetka fest.

Social Media ist ein Baustein

Dass Jacques‘ Weindepot auf allen Kanälen unterwegs ist, ist für den Inhaber eine Selbstverständlichkeit. „Wir machen viel über Facebook und Instagram. Das ist altersmäßig unsere Zielgruppe. Wir haben zwar auch einen Onlineshop und liefern nach Hause, aber entscheidend ist hier im Depot, am POS. Wir kennen etwa 90 Prozent unserer Kundinnen und Kunden. Das ist uns sehr wichtig“, unterstreicht der Weinenthusiast, der sein profundes Know-how sowohl in Sachen Wein als auch in puncto Marketing unterhaltsam vermittelt. Und er setzt nach wie vor auf das klassische Mailing. „Jeder, der eine Kundenkarte hat, bekommt ganz regelmäßig einen Brief zu unseren neuen Weinen. Manchmal gibt es noch ein Incentiv und einen Preisvorteil dazu. Oder natürlich auch Hinweise auf unsere Veranstaltungen.“

Aus den Events wird u. a. der Content für Social Media kreiert. Das macht  Remigius Szlachetka selbst, bewusst ohne Agentur. „So ist es echt“, sagt er, der auf den Kanälen auch gern sein fundiertes Fachwissen, stets verständlich, nahbar und mit viel Spaß an der Sache. Und weil Authentizität Trumpf ist, zählt Jacques‘ in Babenhausen in Sachen Social Media zu den Top 3 in Deutschland, bei der Reichweite ist das Depot sogar die Nummer 1. „Aber Social Media ist nur ein Baustein unserer Strategie. Was nützen die besten Posts, wenn der Service im Depot nichts taugt.“

Weiter geht es mit einem spannenden Rotwein aus Georgien, ein Land mit 8.000-jähriger Weintradition. Vinifiziert aus dickbeerigen Trauben, Aromen von Pflaume und Vanille – und man könnte noch endlos weiter probieren, über Wein und die Welt fachsimpeln. Ein rundherum gelungener Abend.

Text: Eike Birck Fotos: Sarah Jonek